Eine etwas andere Rezension | Holding on to you von Natalie Elin - und ein sehr persönlicher Zusatz


Holding on to you habe ich mir auf der letzten FBM geholt, weil ich die Autorin kenne. Ansonsten wäre es wohl nicht in meinem Koffer gelandet, denn alles, das in Richtung Romance geht, ist absolut nicht mein Genre. Da ich die Autorin jedoch kenne und ihre Art und ihren Stil sehr mag, musste dieses Buch mit.
Gestern Abend habe ich angefangen, es zu lesen. Ich habe bis 5Uhr morgens im Bett gelegen/gesessen und bin durch die Seiten geflogen. Ich habe gelacht, habe mit der Protagonistin mitgefühlt und gebangt, geliebt und gezittert. Ich war mit ihr verunsichert, ich war gemeinsam mit ihr wild entschlossen und verletzt.
Dieses Buch ist so warm, so herzlich, so liebevoll geschrieben. Ich musste so oft lachen, mein Herz hat immer wieder einen kleinen Hüpfer gemacht. Ich habe mich in dieser Geschichte pudelwohl gefühlt. Sie ist etwas Besonderes. Es ist eine Liebesgeschichte. Eine Geschichte über das Leben, über Gefühle, Freundschaft, Hoffnung -  und auch über etwas anderes. In ihrem Kern trägt sie nämlich ein ernsthaftes Thema, über das ich am Ende dieses Posts gerne sprechen würde. Wer nicht gespoilert werden will, der liest es nicht, denn es nimmt einiges vorweg. Wenn euch das allerdings nichts macht, dann würde ich mich freuen, wenn ihr euch die Zeit nehmt und meine Zeilen lest, vielleicht auch etwas dazu sagt, wenn ihr möchtet.
Das Buch kann ich euch auf jeden Fall sehr ans Herz legen, weil es einfach wundervoll ist. Es ist wie ein warmer Kakao. Aber auch, wenn ihr mehr die Kaffeetrinker seid, werdet ihr hier garantiert auf eure Kosten kommen, versprochen!

Und nun zu dem Teil des Buches, der mich sehr nachdenklich gestimmt und den Wunsch in mir geweckt hat, darüber mit euch zu sprechen. Wer nicht gespoilert werden möchte, der liest ab hier bitte nicht weiter. Letzte Chance!


Holding on to you behandelt ein Thema, mit dem ich sehr viel zu tun habe, und das mich selbst betrifft. Mich selbst und einige Bekannte, auch jemanden aus meiner Familie.
Es geht um Depressionen. 

- Bitte beachtet, dass es sich hier nur um meine persönlichen Erfahrungen geht. Ich bin kein Spezialist  und jeder Betroffene hat andere Erfahrungen gemacht -
In der Geschichte hat der Love Interest Depressionen und die Protagonistin leidet furchtbar darunter, da die Krankheit ihnen beiden im Weg steht und sie nicht damit umzugehen weiß. Er kann sich ihr bei diesem Thema nicht öffnen und verunsichert sie mit seinem Verhalten zutiefst.
Wenn man Depressionen hat, ist man oft unberechenbar. Ihr alle kennt sicher den Ausdruck „Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt“. Das fasst Depressionen recht gut zusammen. Denn auch, wenn man ein lebensfroher Mensch ist – wenn man Depressionen hat, fällt man immer wieder und oft ohne einen Grund in einen tiefen Abgrund. Man verliert alles, was einen glücklich macht und zum lachen bringt. Was einem das Herz höherschlagen lässt. Und das, obwohl alles noch genau so ist, wie vor dem Fall.
Das führt dazu, dass man den Menschen in seinem Umfeld – ebenso wie sich selbst – oft nicht gerecht werden kann. Bei Depressionen kapselt man sich schnell ab. Man weiß, dass man andere damit von sich stößt und sie verletzt. Und meistens leidet man unter diesem Wissen, aber man kann nichts dagegen tun. Es scheint, als wäre alles weit weg. Als hätte einen jemand in eine Parallelwelt gezogen, in der nichts greifbar ist.
Das Schlimmste daran ist unter anderem, dass man selten auf Verständnis stößt. Zum einen liegt es daran, dass man sich oft nicht traut, über Depressionen zu reden. Oft kann man es einfach nicht, da es sich nicht in Worte fassen und erklären lässt. Doch häufig ist der Grund dafür auch, dass man sich schnell fühlt, als hätte einem jemand einen Stempel mit den Worten „Seltsam“, „Psychopath“, „Verrückt“, „Weichei“, „Memme“ oder ähnlichem auf die Stirn gedrückt. Und das liegt vor allem daran, dass Depressionen in der Gesellschaft nicht als Krankheit anerkannt werden. Viele weigern sich zu glauben, dass es diese nach außen nicht sichtbare Krankheit gibt, tun es als Launen ab, als persönliche Macke oder als Makel. Oft wird es hingestellt, als sei man selbst schuld, wenn man sich nicht gut fühlt und dadurch Dinge nicht auf die Reihe bekommt, die für jeden anderen alltäglich sind. Im Schlimmsten Fall machen einen die Menschen dann runter, werfen einem vor, dass man sich auf dem Begriff ausruht, anstatt das Problem in den Griff zu bekommen. Ich wurde selbst schon damit konfrontiert. In meiner eigenen Familie.
In meiner Familie bin ich nicht die einzige, die Depressionen hat. Mein Onkel leidet ebenfalls darunter, seit ich ihn kenne. Darüber gesprochen hat er mit mir noch nie. Mit keinem aus der Familie. Auch seine Verlobte, meine baldige Tante, hat Depressionen, was allerdings in meiner Familie bekannt ist, da sie lange Zeit in Behandlung war, nachdem sie Jahrelang keinen Fuß mehr vor die Tür setzen konnte und sich von allem außer meinem Onkel und ihrer Familie abgekapselt hat.
Durch sie habe ich lernen müssen, dass Depressionen für viele Menschen nicht existent sind, wie ich eben bereits erwähnt habe. Denn in meiner Familie galt sie lange als „Sozialfall“ (Das Wort fiel oft, wenn es um sie ging. Leider.). Ohne, dass sie anwesend gewesen ist, wurde über sie hergezogen, weil sie ihr Leben nicht in den Griff bekommt. „Selbst schuld, wenn sie nicht mehr zum Psychologen geht“, hieß es oft. Als würden alle Probleme verschwinden, wenn man das tut. So ist es nicht. Depressionen sind nicht heilbar. Und vor allem sind sie nicht weg, nur, weil man eine gute Phase hat. Egal, wie lange diese „scheinbar“ dauert.
Ich selbst wusste damals noch nicht genau, was Depressionen eigentlich sind. Ich wusste nicht, dass ich selbst schon seit vielen Jahren darunter litt. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass das, was die Freundin meines Onkels durchmachte, ähnlich war wie das, das ich immer wieder fühlte. Dabei hatte ich sie zu dem Zeitpunkt noch nie getroffen, wusste alles nur aus vagen Erzählungen. Im Laufe der Zeit habe ich selbst herausgefunden, dass ich tatsächlich Depressionen habe, und habe nach und nach meinen Weg gefunden, mit mir selbst klarzukommen. Es ist nicht leicht, wenn man weiß, dass die eigene Familie – Menschen, die eigentlich hinter einem stehen sollten und einem dies auch stets versichern – die eigene Krankheit nicht anerkennen. Ich wusste immer, dass wenn ich es meiner Familie sagen, es ihnen erklären würde, auf Ignoranz stoßen würde. Hatte ich doch schon oft versucht, in Gesprächen über die Freundin meines Onkels auf das Thema aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Doch die Ansicht, dass Menschen, die Depressionen haben, einfach nicht zum Arzt gehen, um sich behandeln zu lassen, blieb. Für alle schien klar zu sein, dass Depressionen nichts anderes als ein entzündeter Blinddarm waren, den man einfach vom Arzt entfernen lassen konnte. 
Wenn man Depressionen hat, muss man mit sowas umgehen können. Sehr viele können es nicht. Und auch mir fällt das oft schwer. Jeder Mensch sollte auf sich selbst achten und im Notfall die beste Entscheidung für sich selbst treffen. In meinem Fall habe ich dies getan. Damit habe ich Kontakte abgebrochen und stehe teilweise recht allein da, aber ich habe auch gelernt, wie stark ich bin und wie vieles ich schaffen kann. 
Um wieder den Bogen zurück zu dem Buch zu schlagen: In der Geschichte geht es darum, dass die Depressionen zwischen den Liebenden stehen. Der Love Interest verschwindet immer wieder von der Bildfläche, ohne der Protagonistin eine Erklärung zu liefern. Dasselbe tut er bei seinen Freunden. Dadurch, dass man das Buch aus Sicht der Protagonistin liest, bekommt man genau mit, wie sie sich damit fühlt und wie sehr sie darunter leidet. Ihre Liebe wird immer wieder auf die Probe gestellt und sie immer wieder verletzt, bis sie droht, darunter zu zerbrechen.
Auch das ist eine Seite der Medaille. Mit Depressionen ist es unfassbar schwer, anderen gegenüber ehrlich zu sein. Es fällt einem schwer, Ernsthafte Beziehungen aufzubauen – seien sie romantisch oder freundschaftlich. Man kann einfach nicht garantieren, immer da zu sein. Man entfernt sich schnell von seinen Liebsten, wenn man wieder an einem Tiefpunkt ist. Man lässt niemanden mehr an sich heran und verletzt damit andere, ohne es zu wollen. Dadurch, dass man sich so oft im freien Fall durch seine eigenen Abgründe befindet, sagt man anderen oft ab, zieht sich zurück, beschäftigt sich mit sich selbst. Das alles kann sehr plötzlich passieren. Von einem Tag auf den Anderen. Ohne Grund. Es kann aber auch innerhalb weniger Augenblicke passieren. In der einen Sekunde ist das Leben perfekt. In der Nächsten fällt man. Für andere wirkt es oft wie eine radikale Persönlichkeitsänderung im Bruchteil einer Sekunde. Es kann sein, dass sie mit einem gerade den schönsten Moment ihres Lebens erleben, doch plötzlich reißt man ihnen den Boden unter den Füßen weg, weil man ihn selbst verliert. Man kann nichts tun. Geht auf Abstand. Wird abweisend. Einfach so. Weil man in seinem Selbst zerstört ist, als wäre man plötzlich nichts anderes mehr als Hoffnungslosigkeit, Zweifel, Angst und bodenlose Trauer.
Dass das eine furchtbare Erfahrung für alle ist, die das miterleben, muss ich wohl nicht extra sagen.
Das Schlimme ist, dass man andere dadurch immer wieder verletzt, bis sie in den Selbstschutz gehen. Oder aber man hält alle gleich zu Beginn auf Distanz. Bei jeder Bekanntschaft stellt sich einem die Frage, wie tief man diese Person in sein Leben lässt. Wie sehr man sich ihr öffnet. Das fragt man sich nicht nur um seiner selbst Willen, sondern oft auch, um andere davor zu bewahren, immer wieder den Boden unter den Füßen weggerissen zu bekommen.
Wie soll man so Freundschaften pflegen? Wie eine Beziehung führen? Die Antwort ist, dass es schwer ist. Einigen gelingt es, anderen nicht. Manche schaffen es mit Medikamenten, andere selbst damit nicht. Manche schaffen es auch ohne Medikamente. Es ist von Mensch zu Mensch verschieden. Ebenso, wie Depressionen bei jedem etwas anders sind, sind sie auch unterschiedlich stark ausgeprägt und nehmen einen unterschiedlich starken Einfluss auf das Leben eines Betroffenen.
Ich bin 21 Jahre alt, wohne allein, und  bin seit über einem halben Jahr in einer Beziehung. Meine erste Beziehung. Eine Fernbeziehung. Und ich wohne mehrere hundert Kilometer von meiner Familie entfernt, ebenso von meinen Freunden. Dennoch habe ich die besten Freunde, die immer für mich da sind, und für die ich da sein kann. Mein Freund bedeutet mir die Welt und ich hatte noch nie das Gefühl, dass meine Depressionen zwischen uns standen. Im Gegenteil, sie haben uns in meinen Augen enger zusammengeschweißt.
Ich falle mittlerweile oft mit der Tür ins Haus, wenn ich jemanden kennenlerne. Dann zeige ich mich schnell von all meinen Seiten. Meine Freunde kennen vor allem mein verrücktes, nachdenkliches und kreatives Ich. Das Wort „Depressionen“ verwende ich nur sehr selten, weil ich das Gefühl habe, dass es für die meisten Menschen zu abstrakt ist, dass sie sich darunter nichts vorstellen können und schnell falsche Schlüsse ziehen.
Je nachdem, wie offen mir ein Mensch erscheint, mit dem ich mich ernsthaft anfreunde, nehme ich ihn mit. Ich teile meine Freude so gut es geht, auch, wenn mir das manchmal sehr schwerfällt, da ich ein stiller Mensch bin und meine Gefühle in mir toben, ohne, dass man das von außen sehen würde. Und wenn es mir nicht gut geht, teile ich das mit. Ich versuche, immer offen und ehrlich zu sein. Ich bereite die Menschen, die in mein Leben treten, vor. Manche warne ich sogar eindringlich. Diejenigen, die mich dennoch mögen und zu denen sich das Band einer echten Freundschaft aufbaut, sind dann Menschen, denen ich blind vertrauen würde. Menschen, die es mir nicht übelnehmen, wenn ich mich längere Zeit nicht melde, und die es nicht persönlich nehmen, wenn ich mich nicht fühle. Ich sehe, dass das manchmal schwer für die Menschen ist, denen ich nahestehe, aber es funktioniert. Es ist herzerwärmend und macht Mut, zu sehen, wie viel Verständnis Menschen haben können. Und auch, wenn ich meine Freunde selten sehe, so habe ich nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde. Ich fühle mich wohl mit der geografischen Distanz, auch, wenn sie manchmal ein Ärgernis darstellt. Für mich ist das, wie ich selbst entschieden habe, der beste Weg. Ebenso für meine Freunde. Besuche sind etwas Besonderes. Und es ist okay, auf Abstand zu bleiben. Es fällt nicht weiter ins Gewicht, wenn ich schlechte Phasen habe, denn es gibt nur selten Situationen, in denen ich Verabredungen absage, weil es mir nicht gut geht. Es gibt diese schlichtweg selten. Niemand braucht sich darauf zu verlassen, dass ich jeden Tag präsent bin. Dadurch ist allen eine große Last von den Schultern genommen, denn so hat jeder sein eigenes Leben und wird nicht von mir irgendwo hineingerissen. Auf der anderen Seite kann ich mich meinen Freunden jederzeit anvertrauen. Es fällt mir viel leichter, zu schreiben, als von Angesicht zu Angesicht über meine Probleme zu reden. Und meine Freunde fangen mich immer wieder auf, wenn ich falle. Mit ihren Worten, ihrem Verständnis.
Ich denke, dass das alles nicht möglich wäre, hätte ich diese Freunde ständig um mich herum. Einerseits schmerzt es mich, immer ein wenig auf Abstand zu sein, andererseits habe ich mittlerweile das Gefühl, diesen Menschen um ein Vielfaches näher zu sein. Es ist nicht einfach, aber es kann funktionieren. So funktioniert es für mich – was nicht heißt, dass es für andere, die ebenfalls Depressionen haben, auch klappen muss. Dafür ist jeder Mensch zu verschieden und hat andere Wünsche, Bedürfnisse und Probleme. 
Ich bin froh darum, mit so vielem klarzukommen. Selbstverständlich ist es für mich nicht, ebenso wenig wie jeder Mensch in meinem Leben. Dass sie da sind, bedeutet mir unfassbar viel. Vielleicht wissen sie gar nicht, wie viel sie mir bedeuten. Es ist viel zu oft nicht so ersichtlich, wenn man nicht die krassesten Menschenkenntnisse und viel Einfühlungsvermögen hat. Das ist mir bewusst.

An dieser Stelle möchte ich diesen offenen Post gerne beenden und mich bei allen Menschen, die Teil meines Lebens sind, bedanken. Ihr seid die Besten und ich habe euch furchtbar lieb! <3

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