Rezension | Shattered Hearts - Only by Chance von Anne-Marie Jungwirth
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©Lyx |
Ein
Buch über Feminismus und den Mut, zu vertrauen - in sich selbst und andere.
Es handelt sich um Band 2 der Only by Chance Dilogie, die Bücher sind jedoch vollkommen unabhängig voneinander lesbar.
- Klappentext, Leseprobe und Infos -
Rezension
Im
zweiten Band der Only by Chance Dilogie geht es um den Kampf gegen
Ungerechtigkeit, um Vertrauen und Selbstvertrauen, Toleranz anderen
Einstellungen gegenüber, Liebe, Mut, Stärke, den eigenen Weg und auch darum,
Fehler zu machen und sich diese einzugestehen.
Das
Buch hat mich mit seiner Vielschichtigkeit direkt für sich eingenommen. Allein
durch die Unterschiede zwischen der Protagonistin und dem Protagonisten
entsteht eine Spannung, die Reibung verursacht, dabei jedoch nicht ins
klischeehaft-toxische abdriftet. Während Sam ihren Frust über die Fehler der
Gesellschaft durch illegale Graffitis in die Welt trägt und dadurch die
Menschen zum Nachdenken bewegen will, hat Otis der Ungerechtigkeit den Kampf
angesagt, indem er Cop geworden ist. Dass sich die beiden über den Weg laufen
und ineinander verlieben, stellt ihre Denkweisen gehörig auf den Kopf.
Mir
hat dabei sehr gefallen, dass die Charaktere immer auf Augenhöhe blieben und
dass die Geschichte weder in Klischees abdriftet, noch künstliche Streits
braucht, um Spannung aufzubauen. Die Protagonisten bleiben sich selbst treu,
hinterfragen ihre Ansichten und akzeptieren die Meinung des Anderen, selbst
wenn sie gegensätzlich zu ihrer eigenen ist. Obwohl sie beide im Grunde
dasselbe wollen, nämlich Ungerechtigkeit bekämpfen und Menschen helfen, haben
sie grundverschiedene Ansichten dazu, wie dies bewerkstelligt werden sollte.
Dies ist der Kernkonflikt der Geschichte und dieser ist in meinen Augen
wunderbar aufgebaut worden. Denn obwohl hier zwei verschiedene Welten
aufeinandertreffen, ist keiner der beiden Wege von Grund auf falsch.
Bei
der Combo Gesetzeshüter/Gesetzesbrecherin könnte man meinen, dass die feministische Sam als
wütende, zeitweise obdachlose Graffitikünstlerin durch Otis gerettet, gezähmt, umgekrempelt und auf den rechten Weg geführt werden müsse, doch dies ist nicht
der Fall - und genau dies ist der springende Punkt. Es geht nicht darum, den
"richtigen" Pfad einzuschlagen, sondern vielmehr darum, dass beide
Charaktere Fehler machen, daraus lernen und einander akzeptieren. Es gibt nicht
"den einen Weg" und auch keine schnelle Lösung, mit der die
Ungerechtigkeiten der Welt ausgemerzt werden könnten. Vielmehr müssen die
Charaktere ihren eigenen Weg hinterfragen, diesen anpassen und lernen, dass
auch andere Wege zum Ziel führen können. Dass sie ihre Ansichten niemandem
aufzwingen müssen, um ihre Ziele zu erreichen.
Sam
hat sich in ihrem Leben ein wenig verrannt, nachdem einiges schiefgelaufen ist.
Obwohl sie stark ist, fällt es ihr schwer, sich wieder nach oben zu kämpfen.
Für sie ist es ein Zeichen von Schwäche, sich helfen zu lassen, und durch
schlechte Erfahrungen fürchtet sie sich sehr davor, sich von jemandem - vor
allem von einem Mann - abhängig zu machen. Dadurch lässt sie niemanden nah
genug an sich heran, um sich helfen zu lassen. Womit sie es sich unnötig schwer
macht, was einem als Leser gleichermaßen wehtut und verständlich ist. Die
meisten von uns werden diese oder ähnliche Sorgen leider kennen. Deshalb hätte
ich mir gewünscht, dass das Thema "sich helfen zu lassen ist keine
Schwäche" mehr thematisiert und von allen Seiten beleuchtet worden wäre,
allerdings wäre dadurch der Fokus vom eigentlichen Thema abgekommen, weshalb
ich dies nicht wirklich kritisieren will. Am Rande wird dies nämlich durchaus
behandelt, man muss nur tief genug in die vielen Randthemen eintauchen und die
angeschnittenen Gedanken weiterspinnen.
Was
ich tatsächlich etwas schade fand war, dass vor allem Sam an sich arbeiten
musste und Otis im Vergleich zu ihr schon relativ "perfekt" war.
Natürlich hatte auch er seine Baustellen und ist über sich hinausgewachsen, jedoch
nicht so sehr wie Sam, obwohl es durchaus Potential dafür gegeben hätte. Gerade
an den Stellen, an denen Sam ihre Bedenken und Probleme etwas mehr aus Otis'
Perspektive betrachtet, sich umstellt und ihm vertraut, hätte ich mir
gewünscht, dass dies auch für ihn mehr Schwierigkeiten bereithält und von ihrer
Seite aus länger dauert. So fies es auch klingen mag, aber ich hätte mir
gewünscht, dass sie beide mehr mit sich ringen und auf die Probe gestellt
werden, denn im Vergleich zu dem Gewicht, das die Probleme und Differenzen
haben, geht dies relativ schnell und ohne gröbere Zweifel vonstatten. Ebenso
hätte ich mir gewünscht, dass die Probleme von Otis weniger nebenher und
teilweise durch äußere Einflüsse gelöst werden, sondern aktiver und durch
eigene Handlungszweige unterstützt werden, statt Randerscheinungen durch Sams
Anwesenheit zu sein. Insgesamt ist dies allerdings Kritik auf sehr hohem
Niveau, da dies tatsächlich schon sehr gut, aber eben in meinen Augen nicht
ganz perfekt umgesetzt wurde.
Zwiegespalten
bin ich auch, wenn ich mir Sams Ausgangspunkt ansehe, denn die Geschichte baut
sehr darauf auf, dass sie eine Gesetzesbrecherin und obdachlos ist. Da sie dies
allerdings nur für eine sehr kurze Zeitspanne ist - eigentlich war sie einige
Monate vor der Handlung eine begabte Kunststudentin aus einer liebevollen,
unterstützenden Familie - wirkt es etwas übertrieben, dass dies der Aufhänger
der Geschichte ist. Durch ihre Bildung und die Liebe, die sie von ihrer Familie
erfahren hat, wirkt die Bewältigung ihrer Probleme deutlich milder und
einfacher, als wenn ihr Hintergrund ein anderer gewesen wäre. Vor allem
dadurch, dass man zunächst erwartet, dass Sam schon ihr Leben lang
untergebuttert worden ist und es nie leicht gehabt hat, kommt im Laufe der Handlung
eine leichte Enttäuschung auf. Wer wie ich zunächst erwartet, dass zwei
grundsätzlich unterschiedliche Gesellschaftsschichten aufeinandertreffen,
stellt schnell fest, dass die Unterschiede zwischen Otis und Sam eher in ihrem
Charakter als in ihrer Herkunft liegen. Das wäre kein Problem, wenn die
Thematik nicht genau das Versprechen würde. Die Kritik richtet sich also mehr
auf das Versprechen des Klappentextes als auf die Geschichte an sich. Denn hier
ist mein großes ABER: Viele Geschichten nutzen klischeehaftes
Schwarzweißdenken, um Konflikte und Spannung aufzubauen. Shattered Hearts
schafft all dies ohne diese festen Schubladen und zeigt auf, dass es oft nur
kleine Details sind, die Menschen vermeintlich "schlechter" oder
"anders" machen. Sam wird durch ihren kurzzeitigen Sturz in die
Obdachlosigkeit und durch die Wahl ihrer Mittel als "Unterschicht"
abgestempelt, was sie natürlich nicht ist. Zwar ist ihr Fall nur kurz und sie
schafft es wieder auf die Beine, doch regt dieses Detail zum Nachdenken an. Denn
ist es nicht so, dass es bei den meisten Menschen nur ein unglücklicher Zufall,
eine einzige falsche Entscheidung oder ein Unglück ist, das ihr Leben in Bahnen
lenkt, das ihren "gesellschaftlichen Stand" ruiniert? Ein kurzer Fall
und dein Leben ist im Eimer. Es wird schwerer, je früher du fällst. Wenn
bereits die Eltern ins Unglück gestolpert sind, haben die Nachfahren kaum mehr
eine Chance.
Mit
diesen Gedanken im Hinterkopf erscheint mein Kritikpunkt schon nicht mehr als
solcher, oder? Schade ist nur, dass dieser Gedankengang nicht von der Handlung
angestoßen wird und somit nur wenige Leser so weit denken werden.
Alles
in allem ist Shattered Hearts ein Buch, das ich jedem wärmstens
empfehlen kann, der sich auf die Liebesgeschichte von zwei starken, eigensinnigen
Charakteren einlassen möchte. Der Facettenreichtum der Handlung sowie der
Charaktere und Themen ist groß und kann einem ebenso viel Stoff zum Nachdenken
geben wie man bei der Liebesgeschichte und dem gefühlvollen Schreibstil ins
Schwärmen gerät.
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